Dieser Zwang zu zerstören entsteht nur aus Angst. „Nie wieder“ lautet das Ziel, die Devise. Als Baby erhielt das Kind die Vojta-Therapie. Tägliche Attentate, tägliche Attacken. Es konnte nur ahnen, wann die nächste kam. Sein Schreien klang wie eine Melodie mit verschiedenen Abschnitten. Erst zaghaft, fragend, klagend – können die das wirklich wieder tun? Diesmal wird’s doch nicht so schlimm, oder? ODER? Doch, auch diesmal wird’s schlimm. Und erbarmungslos. (Text: Dunja Voos; Bild: Julia)
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Die Sprache, sie gibt es noch nicht. Kein Wort.´
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Das Schreien steht auf zur Not. Das Kind, es schreit in Not. Alle hören es. Doch keiner hört hin. Keiner geht hin. Die Täterinnen machen weiter. Verzweiflung. Spitze, verzweifelte Schreie. Das hört niemals auf. Es geht um Leben und Tod. Um alles oder nichts. Es gibt kein Zeiterleben, kein Weiterleben. Aber Sterben geht auch nicht. Das hatte das Kind schon oft probiert. Es ist alles unendlich. Es hört nie mehr auf.
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Das Kind, es kapiert: Es ist Opfer. Nun mischt sich auch Wut in die Schreie. Grenzenlose Wut. Weite Wut. Wüste Wut. Verdammte Hacke, es wird zu Bewegungen gezwungen, die es nicht will. Immer und immer wieder. Es kann nicht ausruhen, sich nicht zurückziehen. Die Bewegung wird von ihm abverlangt, in ihm ausgelöst, von irgendwoher. Auf ihm, über ihm, da sind sie alle. Mit vielen Händen.
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Am Ende lächelt es. Es lächelt, in der Hoffnung des „Nie mehr“.
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Es ist erwachsen. Und immer diese bohrende Angst. Der andere, er ist die Gefahr. Die Wiedergeburt, sie wäre die Gefahr. Als Baby wiedergeboren werden und wieder Vojta bekommen. Ewiges Leben, das ist die Gefahr. Ewig sich wieder fühlen wie in Vojtas Zwang.
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Und immer, wenn das Kind mit anderen Menschen beisammen ist, wenn es zu zweit ist, dann kommt dieser Zwang: „Schlag zu, lass es sich nicht entwickeln! Hab‘ Angst, denn die Angst schützt dich vor neuen Angriffen. Warte nicht auf das, was da kommt. Sei vorbereitet. Mach es kaputt, bevor es zu spät ist. Bring dich um, bevor du ins ewige Leben rutschst. Sei wachsam. Pass auf. Lass es nie wieder geschehen.“
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Die Allmacht ist Ohnmacht. Was das Kind als Baby auch gemacht hätte: Es hätte sich niemals schützen können. Angst hätte es nicht geschützt, Vorsicht hätte es nicht geschützt. Das Schicksal war stärker. „Gib dich dem Schicksal hin, lege die Hände in den Schoß und schau, was kommen wird“, sagt der Herr Klugemann. Niemals. Niemals. Nur wer acht gibt, nur wer zerstört, der ist vorbereitet auf seine ewige Zeit als Opfer.
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