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Tagebuch einer angehenden Psychoanalytikerin: Ich komme nicht daher, aber ich gehe dahin

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Ich komme nicht daher, aus dieser Welt, auf die ich mich zu bewege. Andere kommen daher. Sie kennen den medizinischen Fachjargon von Kindesbeinen an. Sie kannten die Juristerei und die Philosophie schon immer. Sie wohnten schon im Studium in der Eigentumswohnung der Eltern. Bei mir ist es anders. Ich komme von unten hinauf in eine fremde Welt. „Bis zur Promotion schaffen’s ja einige, aber danach geht’s nicht weiter“, hörte ich einmal einen Forscher sagen, der die Aufstiegschancen von Nicht-Akademiker-Kindern untersuchte. So soll es nicht sein! Mein Hirn hat bisher mitgemacht. Das Lernen hat zum Glück immer geklappt. Die Antworten in Prüfungen kamen immer richtig. Auch mein Körper blieb mir treu, trotz der schlaflosen Nächte und nagenden Sorgen.

Die Hürde heißt: Geld.

Ich muss etwa 5500 € pro Monat verdienen, um die Ausbildung zur Psychoanalytikerin, meine Praxis und das Leben als Alleinerziehende aufrecht erhalten zu können. Noch zwei bis drei Jahre wird die Ausbildung dauern. Ich habe mich schon „hoch gearbeitet“: Im Jahr 2014 gründete ich meine Praxis und verdiene inzwischen rund 4000 € pro Monat.

Jammern auf hohem Niveau, könnte man sagen.

„Andere müssen mit 1400 € im Monat klar kommen!“ Auch, wenn man ein Dach über dem Kopf hat und andere anschaut, die keines haben, bereiten die Ängste auf „hohem Niveau“ einen vergleichbaren Kummer wie Ängste in noch schlechteren Situationen. Ich kenne selbst die Nöte von „unten“. Daher will ich ja genau da helfen. Als Psychoanalytikerin kann ich wirken, das spüre ich jeden Tag.

„Watt willste denn damit?“ | „Aber mit 50 biste fertig, ja?“ | „Naa? Watt macht die Lala-Farm?“ Stimmen aus der alten Welt.

Ich will in diese neue Welt. Dazu fehlen mir noch etwa ca. 9000€. (Bisher habe ich 60.000 € an Krediten aufgenommen – das entspricht dem, was die Ausbildung bei der Deutschen Psychoanalytischen Vereinigung kostet.) Ich führe inzwischen sicher meine Psychoanalysen durch. Bei 249 Arbeitstagen brauche ich drei bis vier Patienten am Tag (das Honorar für eine Psychotherapie-/Psychoanalysestunde liegt bei 87 € bei den gesetzlichen Krankenkassen und bei 92 € bei Privatpatienten. Bei Ausbildungspatienten ist das Honorar geringer, weil das Institut 12% einbehält). Der Rest ist gefüllt mit eigener Lehranalyse (4-mal pro Woche) sowie Supervisionen (2-mal pro Woche). Die Ausbildungstermine nehmen pro Woche inklusive Fahrten etwa 16 Stunden in Anspruch. Ich habe kein Erspartes, keinen Kredit mehr, mit dem ich die Lücke füllen könnte. Die Ausbildung kann ich nicht pausieren, weil ich Patientenbehandlungen laufen habe. Ich möchte auch für meine Patienten sorgen.

Bildungsdurst. Erst ist da der Wunsch. Und dann muss man sich die Bedingungen schaffen, damit der Wunsch Wirklichkeit werden kann. #Followerpower macht heute vieles möglich.

Die Psychoanalyse ist „nur“ ein Traum.

Ich würde neutral gesehen nicht tief fallen, wenn es nicht klappt: Als Ärztin käme ich immer irgendwo unter. Doch den „geistigen“ Weg, den ich zurückgelegt habe, möchte ich weitergehen – für mich und meine Patienten. Ein Aufgebenmüssen aus Geldmangel wäre, als würde einem Geiger auf einmal ein Finger fehlen oder als würde einem erfahrenen Herzblut-Analytiker auf einmal das Gehör versagen. Als dürfte der Bergsteiger nicht mehr den Berg besteigen und der Marathonläufer nicht mehr laufen gehen. Ich muss es schaffen. Ich will. Und werde. Und ich würde mich freuen, wenn Sie Teil meiner Geschichte werden: Support Dunja’s Psychoanalytic Training today www.gofundme.com/DunjaVoos

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