Das Kind, es wird auf ihm herumgedrückt. Es wird gequetscht. Es schreit – ohne, dass es gehört wird. Es ist unerträglich. Viele Monate erlebt das Kind diese Gewalt. Als es älter ist, wird es von der Mutter geschlagen. Als es noch älter ist, wird es vom Vater berührt und es hört Wörter über seinen Körper, die es nicht hören will. Das Kind ist beschädigt am ganzen Körper. Es heißt, die Haut erneuere sich alle paar Wochen. Es heißt, man könne missbrauchten Menschen damit helfen, indem man ihnen das verdeutlicht. Doch die Spuren der Gewalt sitzen nicht nur dort, sondern auch viel tiefer: In den Propriozeptoren, in der Tiefensensibilität der Muskulatur. Die kann man nicht austauschen. (Text: © Dunja Voos, Bild: © Katharina Wieland-Müller, www.pixelio.de)
Erträgliche Gewalt, unerträgliche Zärtlichkeit
Manchmal kommt es dem Kind vor, als könne es überhaupt nur Gewalt ertragen. Jede Zärtlichkeit löst in ihm einen unglaublichen Schmerz aus. Jede Berührung, ja sogar berührende Worte führen zum Schmerz. Menschen mit verbrannter Haut darf man nicht anfassen, auch nicht sanft streicheln, wenn die Wunden frisch sind. Sie kommen in ein Bett, in dem ihre Haut kaum berührt wird. Nur so können sie es ertragen. Und wenn die Haut verheilt ist, dann ist sie vernarbt. Zärtliches Streicheln nimmt diese Haut nicht mehr wahr. So fühlt sich das Kind. Doch wie kommt es da raus?
Zarter Wind
Es fühlt. Es fühlt genau hin. Es gibt Menschen, in deren Gegenwart sich seine Haut glatt und sein Körper gut anfühlt, wenn es mit ihnen zusammen ist. Es gibt warmen, feuchten Wind, der die Haut streichelt. Es gibt warmes Wasser, in dem das Kind schwimmt. Und dann fühlen sich auch seine Muskeln frei. Die gequetschten Punkte sind nicht länger gequetscht. Sie kommen wieder heraus und werden glatt. Es ist, als hätte überhaupt nie jemand darauf herumgedrückt.
Im Innersten heil
Ganz vorsichtig vergrößert das Kind die Momente, in denen sich sein Körper gut anfühlt, in denen der Körper frei geworden ist von der Gewalt, die ihm angetan wurde. Und dann, als das Kind groß ist, merkt es, dass es einen Bereich gibt, an den seine Eltern nie herangekommen sind. Ein Bereich in seinem Inneren ist heil. Und das Kind, das nun groß ist, kann es genießen.
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